Polizisten kontrollieren Fahrzeuge an einem Grenzübergang.
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Geplante Anträge im Bundestag Das sind Merz' Pläne für die Migrationspolitik

Stand: 26.01.2025 16:04 Uhr

Seine Ankündigung sorgt seit Tagen für Diskussionen. Vier Wochen vor der Wahl will CDU-Kanzlerkandidat Merz mit Anträgen die Migrationspolitik verändern und eine striktere Sicherheitspolitik ermöglichen. Ein Überblick über die Vorschläge.

Als Reaktion auf den tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg durch einen abgelehnten Asylbewerber aus Afghanistan will CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schnelle Änderungen in der Migrations- und Sicherheitspolitik vorantreiben. Seine Initiative sorgt vier Wochen vor der Wahl für hitzige Diskussionen. Kritiker werfen Merz vor, asylkritische Positionen der AfD zu übernehmen und eine Zusammenarbeit mit der Partei zu ermöglichen. Vertreter der Union erwidern, dass genau das Gegenteil - nämlich eine Abgrenzung der bürgerlichen Parteien zur AfD - sei der Fall.

Merz appellierte an SPD und Grüne, seine Anträge mitzutragen. "Niemand von uns sucht da irgendeine Zusammenarbeit mit der AfD", versicherte er bei einem Wahlkampfauftritt. "Aber ich bin nicht länger bereit, nur weil möglicherweise die Falschen zustimmen, im Deutschen Bundestag das Richtige nicht mehr zur Abstimmung zu bringen." Eine Koalition mit der AfD schloss Merz weiterhin aus.

Was soll nächste Woche im Bundestag passieren?

Die Union hat zwei Antragsentwürfe ausgearbeitet, die in der kommenden Plenarwoche in den Bundestag eingebracht werden sollen. Die Texte liegen dem ARD-Hauptstadtbüro vor. Ein Antrag enthält einen Fünf-Punkte-Plan "für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration". Der andere Antrag mit dem Titel "Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit" enthält insgesamt 27 Punkte mit Sofortmaßnahmen "für eine wirksame Stärkung der Inneren Sicherheit und zur Beendigung der illegalen Einwanderung".

Bei beiden Anträgen handelt es sich um sogenannte Entschließungsanträge, die wie eine politische Forderung oder Willensäußerung in Richtung der Bundesregierung zu verstehen sind. Eine Gesetzesänderung oder andere Maßnahmen, die sofort greifen, ergeben sich daraus nicht. Gesetzesänderungen noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar gelten aufgrund zahlreicher Fristen und festgelegter Verfahren, die verkürzt werden müssten, als vollkommen unrealistisch.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat für Mittwoch eine Regierungserklärung zu den Konsequenzen aus der jüngsten Messerattacke in Aschaffenburg angekündigt. Merz kritisiert das als unzureichend. "Immer wieder dasselbe Gerede. Natürlich Mitgefühl mit den Opfern. Mitgefühl mit den Familien. Gute Wünsche", sagte Merz. "Spätestens mit Aschaffenburg ist jetzt wirklich Schluss, und ich meine das sehr, sehr ernst." Der Bundestag müsse endlich Entscheidungen treffen. "Es reicht nicht mehr, das Problem zu beschreiben. Wir müssen es lösen."

Wie soll der Fünf-Punkte-Plan aussehen?

Der Antrag mit dem Fünf-Punkte-Plan geht in den ersten beiden Absätzen direkt auf die Tat von Aschaffenburg, aber auch auf den Messerangriff von Mannheim, den Terroranschlag in Solingen sowie den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg ein. "Der Deutsche Bundestag weigert sich anzuerkennen, dass dies die neue Normalität in Deutschland ist", heißt es im Text. Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährde die Sicherheit. Die Politik "der letzten Jahre" habe es versäumt, die Migration zu kontrollieren, geltendes nationales Recht durchzusetzen und Fehlanreize für illegale Migration zu beseitigen. Konkret werden folgende Punkte genannt:

  • Dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarstaaten
  • Einreiseverbot für alle Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen, unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht - die europäischen Nachbarstaaten seien bereits sichere Staaten für Verfolgte.
  • Inhaftierung von Personen, "die vollziehbar ausreisepflichtig sind", auch in leerstehende Kasernen und Containerbauten. Abschiebungen müssten "täglich stattfinden", regelmäßig auch nach Afghanistan und Syrien.
  • Unterstützung für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht. Die Bundespolizei soll Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen können.
  • Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden könne.

Inwiefern die Vorschläge mit deutschem und EU-Recht vereinbar sind, bleibt offen. Einzelne Punkte wurden bereits von Experten angezweifelt. So sagte der Konstanzer Migrationsrechtler Daniel Thym tagesschau24, das geltende europäische Recht sehe vor, dass Menschen zunächst einreisen dürften, um dann in einem Verfahren prüfen zu können, ob eine Aufenthaltserlaubnis möglich sei, oder die Personen wieder ausgewiesen werden müssten. Die CDU versuche, eine Ausnahmeklausel in europäischen Verträgen zu aktivieren. Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Notstandes müsste letztlich von Gerichten geklärt werden.

In dem Antrag zur Grenzsicherung und Asylverschärfung wird außerdem argumentiert, die Bekämpfung der illegalen Migration entziehe "Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage". Die AfD nutzte Probleme, Sorgen und Ängste, "die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen". All das gefährde Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Die AfD sei deshalb ein politischer Gegner.

Was hat es mit den 27 Sofortmaßnahmen auf sich?

Der zweite Antrag, der insgesamt 27 mögliche Sofortmaßnahmen zur inneren Sicherheit enthält, ist ein Rundumschlag. Darin sind durchaus kontroverse Forderungen, etwa im Bereich der Überwachung, genauso enthalten wie Ideen, die auf breite Zustimmung treffen dürften. Nicht an allen Stellen wird es sehr konkret oder neu, beispielsweise wenn es um den Schutz von Einsatzkräften oder die Stärkung von Frontex geht. Es gibt außerdem Überschneidungen mit dem anderen Antrag, etwa beim Thema Ausreisearrest oder Grenzschutz. Eine Auswahl der Ideen:

  • Videoüberwachung in Echtzeit mitsamt elektronischer Gesichtserkennung, Datenschutz bei der Speicherung von IP-Adressen lockern, Vereinheitlichung der polizeilichen IT-Dienste
  • Stärkung der Nachrichtendienste, Sicherheitsbehörden und der Justiz durch Ausweitung von Befugnissen, bessere Ausstattung und Personalaufbau
  • Verschärfung von Strafen für Körperverletzung
  • Vereinfachung von Ausweisungen straffälliger Asylbewerber und Schutzsuchender, bei schweren Straftaten und auch bei Freiheitsstrafen auf Bewährung
  • Der verpflichtende Rechtsbeistand für Ausreisepflichtige in Abschiebegewahrsam soll abgeschafft werden
  • Sozialleistungen sollen nach dem Grundsatz "Bett, Brot und Seife" reduziert werden
  • Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten
  • Von Russland und Belarus "instrumentalisierte Migration" stoppen
  • Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatlern, die schwere Straftaten begehen oder sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, ermöglichen

Auch bei einigen dieser Punkte bleibt offen, ob sie sich umsetzen lassen und mit geltendem Recht vereinbar sind.

Wie reagieren die anderen Parteien auf Merz' Vorstoß?

Eine Mehrheit im Bundestag und damit eine Zustimmung für die beiden Anträge scheint unwahrscheinlich. Am wahrscheinlichsten dürfte die Zustimmung aus Reihen der FDP sein. In dem längeren der beiden Anträge wird die "Regierung Scholz" direkt angegriffen. An anderer Stelle wird neben SPD und Grünen auch die FDP direkt kritisiert.

Kanzler Scholz sagte bei mehreren Wahlkampfveranstaltungen am Wochenende, Merz' Pläne seien mit Grundgesetz und europäischen Verträgen nicht vereinbar. SPD-Chefin Saskia Esken sprach von einem "Erpressungsversuch" durch Merz.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck rief beim Parteitag zur Zusammenarbeit der demokratischen Parteien auf. "Einigungsfähigkeit heißt aber nicht Kompromisslosigkeit, heißt nicht 'friss oder stirb', heißt nicht 'Entweder stimmt ihr zu, oder ich stimme mit Rechtsradikalen'. Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie", rief der Wirtschaftsminister.

Die AfD-Spitze ist sich uneins, was die Vorschläge für die sogenannte Brandmauer bedeuten. Kanzlerkandidatin Alice Weidel schrieb auf der Plattform X: "Die Brandmauer ist gefallen! CDU und CSU haben mein Angebot angenommen, in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen." Co-Parteichef Tino Chrupalla sagte dagegen dem Portal t-online: "Die Brandmauer fällt noch nicht, wenn CDU und CSU unsere Anträge der letzten Jahre kopieren und um unsere Zustimmung werben." Sie falle erst, wenn die anderen Fraktionen im Bundestag AfD-Anträgen auch zustimmten.

FDP-Chef Christian Lindner machte sich für einen anderen Kurs in der Migrationspolitik stark und kritisierte die ehemaligen Koalitionspartner SPD und Grüne, die eine Begrenzung der Migration "verwässert hätten". Jetzt sei eine neue Gelegenheit. "Eine Problemlösung würde der AfD den Wind aus den Segeln nehmen", erklärte Lindner.

Der Co-Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, erklärte im Sender Phoenix, nach Taten wie der in Aschaffenburg dürfe es nicht um Abschiebungen gehen: "Das ist doch keine Asylfrage. Das ist doch eine Frage, wie gehen wir mit psychisch kranken Gewalttätern um."

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht gehen die Unions-Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik nicht weit genug. "Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik und werden das Problem nicht lösen", sagte Sahra Wagenknecht. "Wer den Menschen weismacht, dass wir unsere Grenzen komplett kontrollieren können, macht ihnen etwas vor."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. Januar 2025 um 17:45 Uhr.