Bundestagswahl 2025
Debatte über Migration SPD wirft Merz Spaltung vor
Mit seinen Vorschlägen in der Migrationspolitik hat CDU-Kanzlerkandidat Merz heftige Kritik ausgelöst. Die SPD wirft ihm Erpressung vor, die Grünen halten Teile der Pläne für verfassungswidrig.
Im Streit um eine Verschärfung der Migrationspolitik greift die SPD den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz scharf an. "Indem er AfD-Stimmen in Kauf nimmt, wirft er nicht nur die bisherigen Grundsätze der Union über Bord, sondern spaltet die demokratische Mitte und sendet ein fatales Signal an unsere europäischen Partner", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Merz handele weder staatsmännisch noch weitsichtig.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte der Funke Mediengruppe, Merz spiele mit dem Feuer und versuche, die demokratischen Parteien zu erpressen, indem er mit einer Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten der AfD drohe. "Damit zeigt Friedrich Merz einmal mehr, dass er der Verantwortung, die das Amt des Bundeskanzlers erfordert, nicht gewachsen ist."
"Kohl wäre nicht zufrieden mit Merz"
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz übte im Bericht aus Berlin erneut heftige Kritik an Merz. Viele Vorschläge in der Migrationsdebatte würden gegen das Grundgesetz oder gegen europäische Verträge verstoßen. "Ich glaube, Helmut Kohl wäre nicht zufrieden mit dem CDU-Vorsitzenden".
Der Bundeskanzler äußerte Zweifel daran, ob die Union wirklich nicht mit der AfD zusammenarbeiten werde. "Ich habe öffentlich gesagt, dass ich mich auf Friedrich Merz verlassen kann. Ich kann das nicht mehr sagen."
Scholz will am Mittwoch eine Regierungserklärung zu den Konsequenzen aus dem Messerangriff mit zwei Toten und zwei Schwerverletzten in Aschaffenburg abgeben. Als mutmaßlicher Täter wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane festgenommen. Nach der Tat war die Debatte über Migrationspolitik neu entflammt.
Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik
CDU-Chef Merz steht in der Kritik, weil er angekündigt hatte, Anträge zu einer Verschärfung der Migrations- und Sicherheitspolitik in den Bundestag einzubringen, "unabhängig davon, wer ihnen zustimmt". Die AfD hatte daraufhin erklärt, die "Brandmauer" sei gefallen. Die CDU hatte 2018 auf einem Parteitag einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD gefasst.
In einem Antrag zur unverzüglichen Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans grenzt sich die Union aber erneut scharf von der AfD ab: "Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen." Auch in einem zweiten Antragsentwurf mit sicherheitspolitischen Forderungen schafft die Union Distanz zur AfD.
Ab Mittwoch tagt das Plenum im Bundestag. Noch sind die Anträge nicht auf der Tagesordnung. Ob die Unions-Anträge eine Mehrheit finden, ist unklar. Die FDP sowie BSW-Chefin Sahra Wagenknecht signalisierten Zustimmung, das wäre aber keine Mehrheit. Die AfD dürfte wegen der AfD-kritischen Formulierungen den Anträgen kaum zustimmen können.
Merz kündigte auch einen Gesetzentwurf an. Schon heute beraten die Innenminister der Länder und des Bundes in einer digitalen Sitzung über die Sicherheitslage in Deutschland.
Habeck warnt vor Ende des Rechtsstaats
Auch die Grünen haben starke Bedenken wegen der Unions-Anträge. "Dieser Kurs von Friedrich Merz macht Millionen von Menschen in unserem Land Angst. Es muss möglich sein, für die großen Herausforderungen unseres Landes Mehrheiten innerhalb des demokratischen Spektrums zu finden", sagte Familienministerin Lisa Paus dem RND. Nach dem Vorschlag der Union, "Doppelstaatlern den deutschen Pass entziehen zu können, ist das ein weiteres klares Signal, dass die Merz-Union scharf rechts abbiegt."
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnte in den tagesthemen vor einem Ende des Rechtsstaats. "Die Anträge sind in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig, und man kann nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern."
Es handele sich dabei um kein "wahltaktisches Spielchen", denn die Anträge könnten mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag beschlossen werden. "Dann würden Union, AfD, FDP und BSW diese Mehrheiten herstellen und die Union hätte aus meiner Sicht einen demokratischen Tabubruch begangen", sagte der Wirtschaftsminister.
FDP: Abschiebungen an Entwicklungshilfe koppeln
Unterdessen verschärft auch die FDP die Diskussion um die Migrationspolitik - und erhöht den Druck auf andere Staaten. Parteichef Lindner forderte im Interview mit der Bild-Zeitung, die Entwicklungshilfe künftig an die Bereitschaft zu koppeln, abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland zurückzunehmen. Als Beispiel nannte er Afghanistan. Das Land habe in den vergangenen drei Jahren eine Milliarde Euro an Unterstützung erhalten. Ohne ein Abkommen "zur automatischen Rücknahme afghanischer Staatsangehöriger" sollten solche Zahlungen nicht mehr erfolgen, so der FDP-Vorsitzende.
Lindner kündigte zudem an, den für diese Woche geplanten Gesetzentwurf der Union für schärfere Asylregeln auf einen solchen Automatismus hin zu prüfen. Er signalisiert im Deutschlandfunk die Zustimmung seiner Fraktion zu Anträgen der Union - auch, wenn diese nur durch Stimmen der AfD eine Mehrheit im Bundestag bekommen könnten. "Das ist mir sogar egal, ob die AfD dort mitstimmt", sagte Linder. "Hier geht es um ein politisches Signal des Deutschen Bundestages."