Atom-Untersuchungsausschuss Verhärtete Fronten, kaum neue Erkenntnisse
Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck waren die letzten von 40 Zeugen im Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg. Ob dieser ergebnisoffen geprüft wurde, darüber gibt es trotz der monatelangen Arbeit keinen Konsens.
Als Bundeskanzler Olaf Scholz um kurz nach 20 Uhr den Sitzungssaal betritt, wirkt er aufgeräumt und gut gelaunt. Er dreht eine Runde, schüttelt allen Ausschussmitgliedern die Hand und nimmt dann mitten im Raum Platz. Seine Aktentasche deponiert er, gut sichtbar, auf dem Stuhl rechts von ihm.
Scholz beginnt, wie viele Zeugen vor ihm, mit einem Eingangsstatement. Er erinnert an die Reaktorunglücke in Tschernobyl und Fukushima und betont, er halte den 2011 mit breitem Konsens beschlossenen Atomausstieg weiterhin für richtig. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022, berichtet Scholz, habe seine Regierung aber intensiv geprüft, ob die letzten AKW länger betrieben werden können.
Allerdings schränkt er ein, dass damals klar geworden sei, dass der Kauf neuer Brennelemente eine mehrjährige Laufzeitverlängerung bedeutet hätte. Und das, macht der Kanzler während der Befragung deutlich, sei für ihn keine Option gewesen.
Machtwort des Kanzlers
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wollen von Scholz mehrfach wissen, wie er zu der Entscheidung gekommen sei, im Oktober 2022 unter Verweis auf seine Richtlinienkompetenz einen Weiterbetrieb der letzten drei aktiven deutschen AKW bis Mitte April 2023 durchzusetzen.
Scholz berichtet, dass bei Treffen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem damaligen Finanzminister Christian Lindner - auch am Vorabend der Entscheidung - eine Einigung nicht möglich gewesen sei. Beiden sei aber klar gewesen, dass er dann seine Richtlinienkompetenz nutzen werde. Es sei die richtige Entscheidung gewesen für die Energiesicherheit in Deutschland.
Das deckt sich im Wesentlichen mit Aussagen von Lindner und Habeck im Untersuchungsausschuss. Beide berichteten bei ihren Befragungen ebenfalls, dass Scholz' Entscheidung für sie nicht überraschend kam. Der monatelange Streit wurde damals mit dem Machtwort des Kanzlers beendet.
Wahlkampf im Ausschuss
Scholz ist der 40. und zugleich letzte Zeuge, den der Untersuchungsausschuss geladen hatte. Seit Oktober 2023 laufen die Befragungen. Rund 350.000 Seiten Akten habe der Ausschuss ausgewertet, berichtet der Vorsitzende, Stefan Heck (CDU). Er ist es auch, der die Befragung von Scholz nach gerade einmal zweieinhalb Stunden beendet, weil die Ausschussmitglieder keine weiteren Fragen haben.
Das kommt durchaus überraschend, zumal vor Scholz Robert Habeck fast neun Stunden lang befragt wurde. Doch am Abend ist spürbar: Die Vorwürfe der Opposition in Richtung Kanzler sind kleiner als gegen die Grünen. Und zugleich wirkt es so, als gehe vielen etwas die Puste aus, nachdem der Ausschuss auch am Mittwoch bis Mitternacht getagt hatte.
Auffällig auch: Viele Fragen und Antworten wiederholen sich. Wirklich neue Erkenntnisse oder gar Enthüllungen gibt es nicht. Vielmehr macht sich der Bundestagswahlkampf bei vielen Statements vor und auch im Ausschuss immer wieder bemerkbar. Einzelne Mails und Unterlagen, die diskutiert werden, werden oft von den verschiedenen Parteien sehr unterschiedlich bewertet.
Abschlussbericht mit unterschiedlichen Positionen
Das dürfte sich auch im Abschlussbericht zeigen. Er soll Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am 13. Februar überreicht werden. Heck kündigt bereits an, es solle einen Teil geben, der das Verfahren der Ausschussarbeit beschreibt und "hoffentlich einvernehmlich beschlossen werden kann". Darüber hinaus wird jede Fraktion die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Feststellungen in dem Bericht zu treffen. Am Ende wird es also voraussichtlich einen Bericht geben, in dem CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und AfD jeweils eigene Stellungnahmen veröffentlichen.
Die Bewertungen, ob damals ein Weiterbetrieb ergebnisoffen geprüft worden ist, um die Stromversorgung in Deutschland zu sichern, gehen auch nach der monatelangen Befassung und Faktensuche im Ausschuss weit auseinander.
So sagt der CDU-Politiker Heck kurz vor der Befragung von Habeck, für ihn stehe fest, dass ein Weiterbetrieb der letzten deutschen AKW nie ergebnisoffen geprüft worden sei. Er wirft dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium vielmehr ein "groß angelegtes Täuschungsmanöver" vor. Und sein Fraktionskollege, der CSU-Politiker Andreas Lenz, spricht gar von einer "Täuschungsmaschinerie".
Debatte um ergebnisoffene Prüfung
Auch FDP und AfD werfen vor allem den Grünen weiterhin vor, dass sie sich aus ideologischen Gründen gegen eine Verlängerung gestemmt hätten. Umweltministerin Steffi Lemke wies das am Mittwoch bei ihrer siebenstündigen Befragung erneut entschieden zurück. Sie betonte vor allem, dass sie und ihr Ministerium intensiv abgewogen hätten, "wie die nukleare Sicherheit gewährleistet werden kann - aber eben auch die Versorgungssicherheit" gesichert werden könne.
Einen Tag später betont auch Habeck, er persönlich und sein Haus hätten "der sicheren Energieversorgung alles untergeordnet". Bei seiner Befragung erinnert Habeck zudem an die Ausgangslage, die er als Wirtschaftsminister im Dezember 2021 vorgefunden habe. Deutschland sei damals verwundbar gewesen wegen der hohen Abhängigkeit von russischem Gas, Öl und Steinkohle. Er habe sich dann sofort an die Arbeit gemacht, die Energieversorgung zu sichern. Und zwar, das betont der Grünen-Politiker, ohne Denkverbote.
Ende Januar soll es im Bundestag noch einmal eine Debatte zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses geben. Alle Parteien dürften das nutzen, um erneut ihre Positionen zu betonen und natürlich auch ein wenig Wahlkampf zu machen.