Ahmad al-Scharaa
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Lage in Nahost ++ Scholz spricht mit Syriens Übergangspräsidenten ++

Stand: 07.02.2025 16:39 Uhr

Kanzler Scholz hat erstmals mit Syriens Übergangspräsidenten Al-Scharaa telefoniert. Dabei ging es um den Wiederaufbau des Landes. Der Iran will keine neuen Atomverhandlungen mit der Trump-Regierung. Die Entwicklungen im Liveblog.

Die islamistische Hamas hat zunächst nicht die von vielen Israelis erhoffte Liste mit den Namen jener Geiseln übermittelt, die am Samstag freigelassen werden sollen. Die Namen waren bis 16 Uhr Ortszeit (15 Uhr MEZ) erwartet worden, wie israelische Medien berichteten. 

Die Terrororganisation hatte die Namenslisten jedoch bei früheren Freilassungsaktionen auch schon später als vereinbart übermittelt. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, der Regierungschef werde während seines offiziellen USA-Besuchs laufend über die Entwicklung unterrichtet.

Die Hamas wirft Israel vor, die im Rahmen des Gaza-Deals vereinbarten Hilfslieferungen zu verzögern. Betroffen seien unter anderem Güter wie Zelte, Ausrüstung zur Trümmerbeseitigung und Treibstoff, sagte Hamas-Sprecher Abdul Latif al-Kanu laut einer Mitteilung. Israel bestreitet das. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit dem Übergangspräsidenten von Syrien, Ahmed al-Scharaa, telefoniert. In dem einstündigen Gespräch gratulierte Scholz dem syrischen Volk dazu, "dass es gelungen ist, die Schreckensherrschaft des Assad-Regimes zu beenden", wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte.

Beide Politiker seien sich einig gewesen, dass nun ein inklusiver politischer Prozess erforderlich sei, "der allen Syrerinnen und Syrern, gleich welcher ethnischen oder religiösen Gruppe, Teilhabe einräumt, Rechte und Schutz gewährt". Scholz habe Al-Scharaa zudem die Unterstützung Deutschlands beim Wiederaufbau Syriens zugesichert.

Ziel sei es, das Land zu einer freien und sicheren Heimat für alle Bevölkerungsgruppen zu machen. Die Bundesregierung werde dabei eng mit europäischen und internationalen Partnern zusammenarbeiten. Der Kanzler betonte Hebestreit zufolge zudem die anhaltende Bedeutung des Kampfes gegen den Terrorismus für die Sicherheit in Syrien, der Region und weltweit.

Einen Tag vor der geplanten Freilassung weiterer israelischer Geiseln hat das Forum der Geisel-Familien den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu zum Einhalten des Waffenruhe-Abkommens gemahnt. "Eine gesamte Nation verlangt die Heimkehr der Geiseln", erklärte das Forum der Geisel-Familien am Freitag. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trumps Vorstoß zur Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung des Gazastreifens die Zukunft des Abkommens ungewiss erscheinen lassen.

Ein Sprecher des Forums der Geisel-Familien erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, sie hätten keine Informationen über die Geiseln, die am Samstag freigelassen werden sollen. An Regierungschef Netanjahu gerichtet erklärte das Forum der Geisel-Familien: "Verpassen Sie nicht diese Gelegenheit!"

Die Hisbollah und ihre Verbündeten sollen nach dem Willen Washingtons keine Rolle in der neuen Regierung des Libanons spielen. Das sagte die stellvertretende US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Morgan Ortagus, nach einem Treffen mit dem libanesischen Präsidenten Joseph Aoun. 

"Wir haben in den USA klare rote Linien gezogen, damit sie nicht mehr in der Lage sein wird, das libanesische Volk zu tyrannisieren, einschließlich als Teil der Regierung", sagte Ortagus zur Rolle der Schiitenmiliz.  Es sei Israel zu verdanken, dass die Hisbollah besiegt worden sei, so Ortagus weiter. Sie dankte auch dem designierten libanesischen Ministerpräsidenten Nawaf Salam, der eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der Hisbollah anstrebt. 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) kritisiert. "Ich halte es nicht für richtig, den Internationalen Strafgerichtshof mit Sanktionen zu belegen", sagte der Politiker am Rande eines Wahlkampfauftritts in Ludwigsburg. Es sei völlig in Ordnung, sich über Dinge zu ärgern und zu streiten - "aber Sanktionen sind das falsche Mittel", sagte Scholz. "Sie gefährden eine Institution, die dafür Sorge tragen soll, dass die Diktatoren dieser Welt nicht einfach Menschen verfolgen und Kriege anzetteln können."

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch in Washington einen goldenen Pager geschenkt. Das Geschenk, eine Anspielung auf Israels Angriff auf Anführer der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon mit Hilfe von explodierenden Pagern im vergangenen September, stehe für "einen Wendepunkt im Krieg", erklärte Netanjahus Büro am Donnerstag. Bei dem Überraschungsangriff waren insgesamt 39 Menschen getötet worden.

Die Lage in den kurdisch kontrollierten Gefangenenlagern und Gefängnissen im Nordosten Syriens könnte sich nach Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten aufgrund der eingefrorenen US-Auslandshilfen noch weiter verschlechtern. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte am Freitag, es drohe die "Destabilisierung einer prekären Sicherheitslage". US-Präsident Donald Trump hatte zuvor ein vorläufiges Einfrieren fast aller Auslandshilfen seines Landes verkündet.

Insgesamt befinden sich rund 56.000 Menschen, überwiegend mit mutmaßlichen Verbindungen zu der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), in Lagern und Gefängnissen in der Obhut kurdischer Sicherheitskräfte. In Gefängnissen werden verdächtige IS-Kämpfer festgehalten, während Lager wie Al-Hol und Roj auch die Frauen und Kinder von Islamisten beherbergen, darunter auch viele Ausländer.

Nach Angaben von HRW verschärft das Einfrieren der US-Auslandshilfen für Nichtregierungsorganisationen, die in den Lagern arbeiten, die dort vorherrschenden "lebensbedrohlichen Bedingungen". Die Hilfsorganisationen im Nordosten seien unsicher, wie sie mit der Lieferung essenzieller Güter wie Wasser und Kerosin weiter verfahren sollen.

Der israelische Außenminister Gideon Saar hat die Sanktionen von US-Präsident Donald Trump gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) begrüßt. Im Onlinedienst X erklärte Saar am Freitag, die Maßnahmen des IStGH seien "unmoralisch und haben keine rechtliche Grundlage". Trump hatte am Donnerstag aufgrund des Haftbefehls gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu Sanktionen gegen den IStGH angeordnet.

Saar erklärte weiter, der IStGH verfolge "aggressiv die gewählten Anführer Israels, der einzigen Demokratie im Nahen Osten" und untergrabe dadurch das Völkerrecht. Die USA und Israel seien "blühende Demokratien, deren Armeen sich streng an das Völkerrecht halten", erklärte Saar. EU-Ratspräsident António Costa wiederum kritisierte die Entscheidung Trumps. Auf X erklärte Costa, die Sanktionen gefährdeten die Unabhängigkeit des Gerichtshofs und würden "das internationale Strafrechtssystem als Ganzes" untergraben.

Der Oberste Führer des Irans hat Gesprächen mit den USA eine Absage erteilt. Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten seien "nicht intelligent, weise oder ehrenhaft", sagte Ajatollah Ali Chamenei, das geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, am Freitag. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump die Möglichkeit ins Spiel gebracht, die Atomverhandlungen mit dem Land wieder aufzunehmen. Chamenei sagte: "Es sollte keine Verhandlungen mit solch einer Regierung geben." Eine direkte Anordnung, die einen Austausch mit den USA verbieten würde, erließ er jedoch nicht.

Chameneis Stellungnahme vor Offizieren der Luftwaffe in Teheran schien früheren Äußerungen entgegenzustehen, in denen er eine Tür zu Gesprächen geöffnet hatte. Der 85-Jährige hat seine Worte über Verhandlungen mit dem Westen in der Vergangenheit stets sorgsam gewählt. Vor und nach der US-Wahl hatten iranische Behördenvertreter monatelang den Eindruck erweckt, sie warteten auf eine Botschaft Trumps, ob dieser mit dem Iran über das voranschreitende Atomprogramm des Landes verhandeln wolle. Auf dem Spiel stehen Milliarden von Dollar, die dem Iran durch Sanktionen vorenthalten werden, sowie die Zukunft eines Programms, in dessen Rahmen Teheran kurz vor der Anreicherung von Uran auf einen waffenfähigen Grad steht.

Syrische Sicherheitskräfte gehen entlang der Grenze mit dem Libanon an Schmuggelrouten gegen den illegalen Handel mit Waffen und anderen Gütern vor. Das berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana am Donnerstag. In der syrischen Stadt Hauik wurden mehrere Verdächtige festgenommen, wie der Grenzschutz des Landes mitteilte. Dabei seien unter anderem Waffen sichergestellt worden, sagte die Pressestelle der Behörde der Nachrichtenagentur.

Zwischen den Sicherheitskräften und den mutmaßlichen Schmugglern sei es zu Zusammenstößen gekommen. Zwei Mitglieder der Sicherheitskräfte seien vorübergehend gefangen genommen worden. Videos, die in sozialen Medien kursierten und von syrischen und libanesischen Medien aufgegriffen wurden, zeigten, wie zwei Männer von Bewaffneten geschlagen wurden. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die Syrien als Korridor für Waffenlieferungen aus dem Iran nutzt, ist seit Jahren in Dörfern auf beiden Seiten der Grenze aktiv. Auch libanesische Stämme, die an der Produktion und dem Schmuggel von Drogen beteiligt sind, operieren im Grenzgebiet der beiden Länder.

US-Präsident Donald Trump hat Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeordnet. Trump wirft dem Gericht "bösartiges Verhalten" vor. Das Gericht habe "seine Macht missbraucht", indem es unbegründete Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den damaligen Verteidigungsminister Joav Gallant erlassen hat, heißt es in der Anordnung.

Im Norden des Gazastreifens herrscht nach 15 Monaten Bombardierung vor allem Zerstörung. "Es gibt keine Worte, um zu beschreiben, was man auf der Fahrt hierher sieht", sagt UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher bei seinem Besuch im Gazastreifen.

Der Zustand des Gazastreifens nach mehr als einem Jahr Krieg

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, tagesthemen, 06.02.2025 22:15 Uhr

Trotz Zerstörung und schwieriger Lebensbedingungen wollen die meisten Palästinenser aus Sicht des Meinungsforschers Khalil Shikaki in Gaza bleiben. "Ich vermute, dass auch heute nur sehr wenige Familien bereit wären, Gaza auf Dauer zu verlassen", sagte Shikaki im Interview der "Welt". Es sei auf Grund der Bedingungen derzeit zwar nicht möglich, eine aktuelle Befragung in Gaza durchzuführen. Doch seien es bei früheren Befragungen vor allem junge Männer gewesen, die mit dem Ziel, im Ausland für ihre Familie Geld zu verdienen, die Küstenregion verlassen hätten. "Insbesondere Frauen und ältere Menschen wollten Gaza damals nicht verlassen." An der demografischen Struktur habe sich seitdem wenig geändert.

Zudem genössen weder Trump noch Israel großes Vertrauen in der Bevölkerung Gazas. "Eine große Mehrheit vermutet, dass der neue US-Präsident und die Israelis die Palästinenser ihrer nationalen Rechte berauben wollen", so der Forscher. US-Präsident Trump hatte zuletzt Pläne geäußert, wonach der Gazastreifen unter US-amerikanische Kontrolle kommen könne. Die Bevölkerung müsse umgesiedelt werden. Für die Zukunft in Gaza könnte sich laut Shikaki ein Großteil der Bevölkerung eine neutrale Übergangsregierung aus Technokraten vorstellen, "die für die bestehenden palästinensischen Parteien akzeptabel sein können, aber nicht an Weisungen dieser Fraktionen oder des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde gebunden sein sollen".

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auf den immensen Bedarf einer medizinischen Grundversorgung im Gazastreifen aufmerksam gemacht. Nur 18 von 36 Krankenhäuser seien aktuell funktionsfähig - und dies auch nur teilweise. Von 142 weiteren Gesundheitszentren seien nur 57 in Betrieb, erklärte der Repräsentant der WHO, Rik Peeperkorn.

Ein weiteres Problem sei die mangelnde Geschwindigkeit bei der Evakuierung von kranken Patienten, sagte Peeperkorn weiter. Zwischen dem 1. und 5. Februar wurden 139 verwundete und kranke Patienten sowie 197 Begleitpersonen aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten evakuiert. Laut Peeperkorn müssten aber noch immer zwischen 12.000 und 14.000 Patienten evakuiert werden, darunter 5.000 Kinder. Gehe dies weiterhin so langsam voran, würden viele der schwerkranken Patienten sterben.

Vor dem Hintergrund des Vorstoßes von US-Präsident Donald Trump zur Übernahme des Gazastreifens durch die USA wird US-Außenminister Marco Rubio Mitte Februar erstmals seit seinem Amtsantritt in den Nahen Osten reisen. Wie ein hochrangiger Vertreter des US-Außenministeriums mitteilte, wird Rubio zunächst an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen und anschließend vom 13. bis 18. Februar Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Saudi-Arabien besuchen. 

US-Präsident Donald Trump will mit seinem umstrittenen Vorstoß zum Gazastreifen nach Einschätzung seines Außenministers vor allem Bewegung in die Debatte über die Zukunft der Region bringen und andere Länder zur Hilfe drängen. "Ich habe den Eindruck, dass viele Staaten in der Welt ihre Besorgnis über den Gazastreifen und das palästinensische Volk zum Ausdruck bringen, aber in der Vergangenheit nur sehr wenig bereit waren, etwas Konkretes zu unternehmen", sagte Marco Rubio bei einem Besuch in der Dominikanischen Republik. "Ich glaube, dass Präsident Trump versucht, sie aufzurütteln und hoffentlich eine Reaktion von einigen Ländern zu erhalten, die sowohl wirtschaftlich als auch technologisch in der Lage sind, nach dem Konflikt einen Beitrag zu der Region zu leisten."

Trump hatte verkündet, die USA würden den Gazastreifen "übernehmen" und in eine wirtschaftlich florierende "Riviera des Nahen Ostens" verwandeln. Die rund zwei Millionen Menschen, die dort leben, müssten das Gebiet verlassen. Die Äußerungen lösten sowohl international als auch in den USA scharfe Kritik aus.

Zu den geplanten indirekten Gesprächen über die Weiterführung der Waffenruhe im Gazastreifen entsendet Israel vorerst nur eine Arbeitsdelegation. Diese werde sich am Samstag in die katarische Hauptstadt Doha begeben, berichtete das öffentlich-rechtliche Kan-Radio. Der Abordnung würden Beamte der Geheimdienste Mossad (Ausland) und Schin Bet (Inland) angehören, unter ihnen eine pensionierte Führungskraft des Schin Bet. 

Unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens hatten sich Israel und die militant-islamistische Hamas nach mehr als einem Jahr des verheerenden Krieges auf eine zunächst sechswöchige Waffenruhe geeinigt. In dieser ersten Phase der Einstellung der Kämpfe werden israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht. Bereits am Montag hätten im Sinne der Vereinbarung indirekte Gespräche über die konkrete Gestaltung der zweiten Phase beginnen sollen. 

Israels Luftwaffe hat im Libanon nach eigenen Angaben Stellungen der Hisbollah-Miliz angegriffen. In den zwei Militäranlagen hätten sich Waffen befunden, die gegen die Waffenruhe verstießen, hieß es in einer Mitteilung der Armee. "Im Einklang mit den Vereinbarungen zur Waffenruhe setzen die Streitkräfte ihre Operationen fort, um jede Bedrohung für den Staat Israel zu beseitigen und zu verhindern, dass die Terrororganisation Hisbollah ihre Kräfte wieder aufbaut", teilte das israelische Militär mit.

Kürzlich wurde die im November vergangenen Jahres vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah nach Angaben des Weißen Hauses bis zum 18. Februar verlängert. Der ursprünglich binnen 60 Tagen vorgesehene Abzug israelischer Truppen aus dem Süden des Libanons verzögert sich. Beide Seiten werfen sich Verstöße gegen die Waffenruhe vor.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 07. Februar 2025 um 06:45 Uhr.