
Firmen im globalen Wettbewerb EU will Industrie entlasten und Klimaziele einhalten
Die EU-Kommission will Europas Industrie klimafreundlicher machen und bürokratische Hürden abbauen. Die Anwendung des EU-Lieferkettengesetzes soll um ein Jahr verschoben werden.
"Europa ist seit Jahrhunderten führende Industriemacht, weil wir mit der Zeit gegangen sind", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute beim Europäischen Industriegipfel in Antwerpen. "Heute stehen wir wieder an einem Scheideweg. Ich weiß, dass wir gemeinsam zu Veränderungen bereit sind."
Von der Leyens Behörde will mit einem Maßnahmenpaket helfen, Energiekosten zu senken und "grüne" Technologien voranzubringen. Die stellvertretende Kommissionspräsidentin Teresa Ribera spricht von einer Revolution: "Unser Ziel ist es, dass Europa eine führende Rolle als sauberer Produktionsstandort übernimmt. Europa braucht konkrete Antworten, um einen nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und gerechten Übergang zu gewährleisten."
Stromkosten sollen gesenkt werden
Brüssel will die klassische Industrie in Europa halten, aber dazu beitragen, dass Stahl- und Zementwerke deutlich weniger Klimagase ausstoßen. Langfristige Verträge mit Versorgern sollen Stromkosten senken. Die sind nach Kommissionsangaben doppelt so hoch wie vor der Corona-Pandemie. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll Risiken mit Garantien absichern. Brüssel appelliert an die Mitgliedsstaaten, Stromsteuern so weit wie möglich zu senken und den Netzausbau zu beschleunigen. Durch gemeinsamen Einkauf will die EU günstigere Gaspreise erzielen. Derzeit sind die Großhandelspreise in Europa viermal höher als in den USA.
Kommissionsvize Stephane Sejourné sagte dazu: "Es muss mehr und besser produziert werden. Und besser produzieren heißt, ohne Klimagase zu erzeugen und europäisch. Dieser Pakt ist sozusagen der Businessplan für eine europäische Industrie mit niedrigem CO2-Ausstoß."
Komponenten für saubere Technologie aus Europa
Dafür will die Kommission neben der Großindustrie den "Clean-Tech"-Sektor stärker fördern - also Firmen, die Batterien, Windturbinen oder Solarmodule entwickeln und damit für den nachhaltigen Wandel entscheidend sind. Sie sollen bei öffentlichen Ausschreibungen gegenüber Angeboten aus China oder den USA bevorzugt werden. Ziel ist es, 40 Prozent der Schlüsselkomponenten für saubere Technologien in Europa zu fertigen.
Die Kommission will es Mitgliedsstaaten erleichtern, solche Unternehmen mit Beihilfen zu unterstützen. Das Maßnahmenpaket soll insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro für saubere Industrie mobilisieren. Aus dem laufenden EU-Haushalt soll eine Milliarde Euro dazukommen.
Dabei hält Brüssel am Ziel fest, bis 2050 klimaneutral zu werden, betont der zuständige Kommissar Wopke Hoekstra: "Sich vom Klimaschutz abzuwenden steht außer Frage. Aber wir wissen, dass wir dabei Wirtschaft und Industrie viel stärker mit ins Boot holen müssen."
Lieferkettengesetz soll verschoben werden
Dazu gehört der Vorschlag, vier Fünftel der europäischen Unternehmen von Berichtspflichten zu befreien und andere Auflagen zu lockern, etwa beim Lieferkettengesetz. Künftig sollen Firmen nur noch bei direkten Geschäftspartnern sicherstellen müssen, dass diese Umweltgesetze und Menschenrechte achten, nicht mehr entlang der gesamten Lieferkette. Außerdem will die Kommission die Anwendung des Gesetzes um ein Jahr auf Juni 2028 verschieben.
Vereinfachungskommissar Valdis Dombrovskis sagte: "Unser Engagement für die Sicherung des grünen und digitalen Wandels bedeutet eine große Belastung für Menschen und Unternehmen, und diese Anhäufung von Vorschriften schränkt unser wirtschaftliches Potenzial und unseren Wohlstand ein." Nach Dombrovskis' Worten sparen EU-Firmen durch die Kommissionsvorschläge zum Bürokratieabbau pro Jahr 6,3 Milliarden Euro ein.
Wirtschaftsverbände und Unionspolitiker haben die geplanten Maßnahmen begrüßt, Grüne und Sozialdemokraten warnen vor einem Kahlschlag bei Umweltgesetzen. Die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament müssen über die vorgeschlagenen Lockerungen beraten, bevor sie umgesetzt werden können.