KI-Schock Nasdaq muss Federn lassen
Der Hype um ein chinesisches Billigmodell für Künstliche Intelligenz brachte heute Techkonzerne an der Wall Street unter Druck. Auch der DAX gab zunächst nach, grenzte seine Verluste aber noch ein.
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Nirgends wird dieses eherne Grundgesetz der Marktwirtschaft deutlicher ausgelebt als in den Vereinigten Staaten, von wo aus bekanntlich der Trend an den internationalen Finanzmärkten maßgeblich bestimmt wird.
Aber die Folgen dieses Prinzips haben eben auch das Potenzial, für viel Ernüchterung zu sorgen, so wie heute. Denn der erfolgreiche Start des chinesischen KI-Start-up DeepSeek könnte den etablierten und hochbewerteten Silicon Valley-Unternehmen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz ernsthaft Konkurrenz machen.
DeepSeeks neuestes KI-Modell soll insbesondere kosteneffizient(er) sein und womöglich mit weniger starken KI-Chips auskommen als die großen KI-Modelle der etablierten Anbieter.
Die technologische Vormachtstellung der USA werde von China "in Frage gestellt", kommentierte Analystin Kathleen Brooks von der Handelsplattform XTB. "Der Fokus liegt jetzt darauf, ob China es besser, schneller und kostengünstiger als die USA machen kann, und ob sie das KI-Rennen gewinnen könnten."
Analyst David Morrison von FCA verwies darauf, dass der KI-Assistent von DeepSeek momentan "die am besten bewertete kostenlose Anwendung im US-App-Store von Apple" sei. Angesichts der Bedrohung durch kostengünstigere chinesische KI-Modelle seien die Anleger gezwungen, die Aussichten mit Blick auf Investitionen und Bewertungen "zu überdenken", erklärte er. Die chinesischen KI-Modelle schienen "genauso gut, wenn nicht sogar besser" als die US-Versionen zu sein.
Schockwellen sandte DeepSeek in New York vor allem durch die Technologiebörse Nasdaq, die am Ende 3,07 Prozent abrutschte. Der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,97 Prozent ab. Auch der marktbreite S&P 500, der viele Tech-Aktien beinhaltet, gab 1,46 Prozent nach. Profiteur war im Gegenzug der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, der sogar um 0,65 Prozent auf 44.713 Punkte anzog.
Der Ausverkauf an den Börsen ließ Anleger auch in sichere Häfen flüchten und bei US-Staatsanleihen zugreifen. Im Gegenzug fiel die Rendite von zehnjährigen Treasuries um 8,5 Basispunkte auf 4,53 Prozent.
Die Anleger an der Nasdaq waren heute geschockt. Vor allem Nvidia, der Chiphersteller gilt als unangefochtener KI-Marktführer, weite seine Verluste aus und verlor zuletzt 16,86 Prozent, was einer Marktkapitalisierung von deutlich über 400 Milliarden Dollar (rund 381 Milliarden Euro) entsprach.
Broadcom geben in der gleichen Größenordnung nach. Apple notierten gegen den Trend im Plus und sind damit wieder wertvollstes Börsenunternehmen der Welt.
"Wir kennen zwar noch nicht alle Details und nichts wurde bislang hundertprozentig bestätigt", sagte Portfolio-Manager Jon Withaar vom Vermögensverwalter Pictet. Wenn sich aber bewahrheiten sollte, dass die Kosten für das Training dieser Künstlichen Intelligenz (KI) auf lediglich sechs statt der bislang üblichen mehr als 100 Millionen Dollar beliefen, wäre dies ein Durchbruch und würde der Verbreitung dieser Technologie zusätzlichen Schub verleihen.
Dass auch die heimischen Anleger auf die Nachrichten aus New York reagierten, lag auf der Hand. Zwar ist der DAX lange nicht so technologielastig wie die US-Indizes, einem größeren Kursrutsch in New York kann sich der deutsche Leitindex aber nicht entziehen.
Am Nachmittag grenzte der Leitindex seine Verluste allerdings ein und verlor am Ende nur noch 0,53 Prozent auf 21.282 Punkte. Der Index bewegt sich damit zwischen 21.344 Zählern und im Tief bei 21.081 Zähler. Der jüngste Rekordlauf, der den Index bis auf 21.520 Punkte getrieben hatte, ist damit zumindest unterbrochen.
Relativ unbeeindruckt zeigte sich der MDAX der mittelgroßen Werte der nahezu unverändert aus dem Handel ging und bestimmt nicht im Verdacht steht, den jüngsten US-KI-Boom maßgeblich vorangetrieben zu haben.
Experten wollen die jüngsten Entwicklungen dennoch nicht überbewerten, denn bahnbrechend Neues habe DeepSeek nicht geliefert. Gleichwohl könnte die Debatte eine Konsolidierung der teils hohen Bewertungen im Tech-Bereich auslösen, so ein Börsianer.
Der Wagniskapital-Investor Marc Andreessen bezeichnete die Vorstellung der KI-Anwendung "R1" des Anbieters DeepSeek als "Sputnik-Moment". Damit spielte er auf den ersten künstlichen Satelliten an, den die damalige Sowjetunion 1957 in eine Umlaufbahn geschossen hatte. Daraufhin hatten die USA und andere westliche Staaten ihre Weltraumforschung intensiviert.
Auch am heimischen Aktienmarkt gerieten Technologie-Aktien unter Druck. Im DAX fielen Papiere von Infineon rund 1,9 Prozent und Siemens um 3,4 Prozent. Aktien von Aixtron, Siltronic, Suss Microtec und Kontron standen ebenfalls auf den Verkaufslisten der Anleger.
Eine der größten Leidtragenden war heute die Aktie von Siemens Energy, die von ihrem Rekord am Freitag bei über 60 Euro um fast 20 Prozent abstürzte - und damit mit großem Abstand am DAX-Ende lag. In den vergangenen Monaten hatte der steigende Strombedarf der rechenintensiven KI-Systeme Energie-Aktien kräftigen Rückenwind verliehen.
Am Abend berichtete das Unternehmen dann von einem guten Start ins neue Geschäftsjahr. Umsatz und Ertrag wurden im ersten Quartal 2024/25 deutlich gesteigert. Der in den vergangenen Jahren von der Schwäche der spanischen Windkraft-Tochter Gamesa belastete Energietechnik-Konzern nannte am Montag einen Quartalsumsatz von 8,942 (7,649) Milliarden Euro und ein Ergebnis vor Sondereffekten von 481 (208) Millionen Euro.
Das von Siemens abgespaltene Unternehmen gehe nun davon aus, seine bisherige Prognose für den Free Cashflow vor Steuern von bis zu einer Milliarde Euro für das laufende Geschäftsjahr zu übertreffen. Am Markt kam die Zahlen nach dem vorherigen Absturz der Aktie gut an. Auf der Handelsplattform Tradegate gewannen die Papiere zwei Prozent im Vergleich zum Handelsschluss auf Xetra.
Leicht positive Nachrichten kamen derweil von der deutschen Konjunktur. So hat sich nach dem Einkaufsmanagerindex nun auch der ifo-Geschäftsklimaindex und damit ein weiterer wichtiger Frühindikator für die deutsche Konjunktur etwas aufgehellt.
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sprach von einem positiven Jahresauftakt. "Bei den wichtigen Stimmungsindikatoren zeichnet sich damit in der Summe jetzt eine Bodenbildung ab. Das stützt die Prognose, dass sich die deutsche Wirtschaft ab dem Frühjahr wieder etwas nach oben bewegt."
Der Euro setzte seine Kurserholung der vergangenen Handelswoche zunächst fort, handelte aber zuletzt im US-Handel etwas niedriger unterhalb der Marke von 1,05 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0530 (Freitag: 1,0472) Dollar fest. Am Markt richtet sich das Interesse der Anleger zunehmend auf wichtige Zinsentscheidungen, die im Verlauf der Woche auf dem Programm stehen.
Die Kryptowährung Bitcoin wurde zuletzt leicht unterhalb der Marke von 100.000 Dollar gehandelt und musste heute ebenfalls Verluste hinnehmen.
Allgemein wird erwartet, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) am Mittwoch eine Pause bei den Zinssenkungen einlegen dürfte. Vor allem spricht die immer noch hartnäckige Inflation gegen eine erneute Zinssenkung. So war die Inflationsrate im Dezember auf 2,9 Prozent gestiegen. Die Fed strebt eine Rate von zwei Prozent an. Zudem zeigte sich der Arbeitsmarkt weiterhin robust.
"In diesem Umfeld gibt es keinen Druck zu raschen weiteren Zinssenkungen. Vielmehr kann die Fed in Ruhe die Daten analysieren", kommentierte Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner.
Am Donnerstag wird dagegen fest mit einer erneuten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) um 0,25 Prozentpunkte gerechnet.
Am Rohstoffmarkt stehen die Ölpreise weiter unter Druck, nachdem US-Präsident Donald Trump die OPEC erneut zu Preissenkungen gedrängt hat. Rohöl der Nordseesorte Brent weitet seine Verluste aus und verbilligte sich aktuell um rund drei Prozent auf 76,03 Dollar je Barrel (159 Liter).
Der Deutsche-Telekom-Chef Tim Höttges hat eine Vertragsverlängerung bekommen. Das bis Ende 2026 laufende Arbeitspapier als Vorstandsvorsitzender habe nun eine Gültigkeit bis Ende 2028, teilte das Unternehmen nach einer Sitzung des Aufsichtsrats in Bonn mit. Der 62-Jährige sitzt in der Bonner Konzernzentrale schon seit 2014 auf dem Chefsessel, zuvor war er in dem Konzernvorstand ab 2006 in anderen Funktionen tätig gewesen.
Zugleich wurde entschieden, dass der bisherige Deutschlandchef der Telekom, Srini Gopalan (54), als Leiter des Tagesgeschäfts (Chief Operating Officer) zur amerikanischen Tochterfirma T-Mobile US wechselt, die für den Magenta-Konzern eine Ertragsperle und damit von großer Bedeutung ist. Gopalans Nachfolger wird der bisherige Chef der Telekom-Tochter in Österreich, Rodrigo Diehl (49). Der Telekom-Aufsichtsratsvorsitzende Frank Appel sagte, man sende mit den Personalentscheidungen "ein Signal in Richtung Kontinuität und frischen Wind".
An der Börse kam die Entscheidung gut an. Die T-Aktie lag im DAX gegen den Trend am Ende rund 1,6 Prozent im Plus und machte damit einen Großteil der Verluste vom Freitag wieder wett. Zuletzt konsolidierte das Papier um die Marke von 30 Euro nachdem es im Vorjahr deutlich gestiegen war.
Abschreibungen und Restrukturierungskosten haben das Ergebnis des Chemiekonzerns BASF im vergangenen Jahr belastet. So fiel das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) vorläufigen Zahlen zufolge von 2,2 Milliarden auf 2,0 Milliarden Euro. Dies lag deutlich unter den Analystenerwartungen, die im Konsens mit 3,2 Milliarden Euro gerechnet hatten.
Der Industriekonzern Thyssenkrupp will trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine milliardenteure Anlage zur klimaschonenderen Stahlherstellung in Duisburg zu Ende bauen. "Trotz aller bestehenden und neuen Herausforderungen halten wir an unserem Plan fest, die erste Direktreduktionsanlage fertigzustellen", erklärt Konzernchef Miguel López laut seiner vorab veröffentlichen Rede zur Hauptversammlung an diesem Freitag.
Gleichzeitig führe man konstruktive Gespräche mit den zuständigen Stellen, um die Wirtschaftlichkeit dieses "großen und neuartigen" Investitionsprojekts sicherzustellen. Die Direktreduktionsanlage sei für den Betrieb mit Wasserstoff ausgelegt, könne aber prinzipiell auch mit Erdgas betrieben werden, so López. Die Anlage soll nach bisherigen Angaben rund drei Milliarden Euro kosten. Davon wollen der Bund rund 1,3 Milliarden Euro, das Land NRW rund 700 Millionen Euro übernehmen. Der Bau hat bereits begonnen. Die Stahlsparte des Konzerns, Thyssenkrupp Steel, ist Deutschlands größter Stahlhersteller.
Der Industrie- und Autozulieferer Stabilus ist vor allem dank der Konsolidierung der Tochter Destac gewachsen und hat dabei mehr verdient. Der Umsatz wuchs im ersten Quartal um 6,7 Prozent auf 326 Millionen Euro, der Gewinn stieg auf 14,3 Millionen Euro von 12,2 Millionen Euro. Im Stammgeschäft musste der im SDAX notierte Konzern allerdings Federn lassen. Die Aktie legte trotzdem zu.
Ryanair kappt wegen der verzögerten Lieferung neuer Boeing-Flugzeuge erneut seine Passagierprognose. Statt mit 210 Millionen rechnet der Vorstand nun mit 206 Millionen Passagieren für das nächste Geschäftsjahr (per Ende März 2026). Ursprünglich hatte die Airline 215 Millionen Reisende angepeilt, diese Erwartung aber bereits im November wegen der Boeing-Probleme runtergeschraubt.