Gespräche mit der EVG Was bei den Bahn-Tarifverhandlungen diesmal anders ist
Seit heute gibt es wieder Tarifverhandlungen bei der Bahn - diesmal mit der Gewerkschaft EVG. Drohen nun wieder Warnstreiks? Und warum wird bei der Bahn ständig verhandelt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Müssen sich Reisende wieder auf Streiks einstellen?
Immer wieder haben die Gewerkschaften den DB-Fernverkehr im Laufe von Tarifverhandlungen mit Warnstreiks weitgehend lahmgelegt. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) selbst rief in den bislang letzten Verhandlungen mit der Bahn 2023 gleich zweimal zum Warnstreik auf, ein geplanter 50-Stunden-Ausstand wurde nach einer juristischen Auseinandersetzung abgesagt.
Diesmal ist jedoch vieles anders. Der aktuelle Tarifvertrag - und die damit einhergehende Friedenspflicht - läuft noch bis Ende März. Bestenfalls haben beide Seiten sich bis dahin geeinigt. Die erste Tarifrunde am Dienstag ging ohne Ergebnis, aber mit einer ersten Annäherung zu Ende.
Wieso wird bei der Bahn ständig über Tarife verhandelt?
Bahnkunden haben mitunter das Gefühl, Tarifverhandlungen bei der DB seien ein Dauerzustand. Seit 2023 wurde in jedem Jahr um Tarife gerungen. Schließlich kämpfen gleich zwei Gewerkschaften um Einfluss bei der Bahn. Neben der EVG gibt es noch die kleinere, aber umso streitbarere Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Die Tarifverträge mit den beiden Arbeitnehmervertretungen haben stets unterschiedlich lange Laufzeiten. So dauerte es nach der Einigung zwischen Bahn und EVG im Jahr 2023 nur wenige Monate bis zum Beginn der GDL-Tarifrunde im November. Diese zog sich über Monate bis weit ins Folgejahr hinein. Die Auseinandersetzungen waren jeweils von längeren Arbeitskämpfen geprägt. Ein kleiner Trost: Sollten sich die EVG und die Bahn nun tatsächlich innerhalb weniger Wochen einigen, haben Fahrgäste noch bis Ende Februar 2026 Ruhe. Erst dann endet die Friedenspflicht für die GDL.
Mit welchen Forderungen ist die EVG in die Verhandlungen gegangen?
Geht es nach dem Willen der Gewerkschaft, zahlt der DB-Konzern 7,6 Prozent mehr Geld für die rund 192.000 Beschäftigten, für die die EVG-Tarifverträge gelten. Schichtarbeiter sollen außerdem ein Zusatzgeld von 2,6 Prozent bekommen, das zum Teil in freie Tage umwandelbar sein soll. Für EVG-Mitglieder soll es zudem eine Bonuszahlung in Höhe von 500 Euro geben. Und: Alle Beschäftigten sollen ihren Job garantiert bis Ende 2027 behalten. Eine bestimmte Laufzeit fordert die Gewerkschaft nicht.
"In dieser Tarifrunde sind uns mehr Wertschätzung für harte Arbeit und die Sicherheit von Einkommen und Beschäftigung wichtig", sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. Zugleich machte die Gewerkschafterin klar, dass man das Druckmittel Streik nicht aus der Hand lege. Es werde keinen Abschluss um jeden Preis geben. Wenn man in den Verhandlungen nicht weiterkomme, sei vom 1. April an alles möglich.
Was bietet die Bahn?
Die Bahn hat nach eigenen Angaben eine Tariferhöhung von vier Prozent in zwei Stufen sowie ein Zusatzgeld für Schichtarbeiter von weiteren 2,6 Prozent angeboten. Damit nimmt der Konzern die Forderung der EVG für Schichtarbeiter vollumfänglich auf. Mit der außergewöhnlich langen Laufzeit von 37 Monaten soll danach Planungssicherheit in der Konzernsanierung hergestellt werden. "Das Angebot gleich zum Auftakt unterstreicht, dass wir an konstruktiven Verhandlungen und einer zügigen Lösung interessiert sind", erklärte Personalvorstand Martin Seiler.
"Positiv bewerten wir, dass ... auch auf unsere Forderung nach einem EVG-Zusatzgeld eingegangen wurde", sagte EVG-Verhandlungsführerin Ingenschay im Anschluss an die erste Gesprächsrunde. "Der Arbeitgeber bietet allerdings mit vier Prozent Gehaltssteigerung bei einer angebotenen Laufzeit von 37 Monaten deutlich zu wenig."
Welche Rolle spielt die vorgezogene Bundestagswahl?
Die Wahl am 23. Februar ist zumindest maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen heute schon beginnen. Aufgrund der Ungewissheit, die eine neue Bundesregierung für die Bahn bringen könnte, bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen. Denn die Union, die die nächste Regierung anführen könnte, fordert schon lange die Zerschlagung der Bahn.
"Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden", heißt es im Wahlprogramm. Die EVG lehnt das vehement ab und argumentiert, dass damit keines der Probleme bei der Bahn gelöst werde.
Wie tief ist die Krise der Deutschen Bahn?
Die Bahn steckt in der Krise - wirtschaftlich und betrieblich. Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge unter anderem aufgrund der maroden Infrastruktur so unpünktlich wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als jeder dritte ICE und IC war mit Verspätungen unterwegs.
Die Bahn will wichtige Teile des Schienennetzes in den nächsten Jahren umfassend sanieren. Doch nach dem Aus der Ampel-Regierung ist unklar, ob der Bund die notwendigen Milliarden weiter zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig hat die Bahn finanzielle Probleme. Sie ist hoch verschuldet. Wichtige Sparten wie die Güterverkehrstochter DB Cargo fahren seit Jahren hohe Verluste ein. Auch hier will die Bahn sanieren. Tausende Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen. In den Tarifverhandlungen mit der EVG dürfte der finanziell enge Spielraum ein Knackpunkt werden.