Schüler im Atrium des Max-Ernst-Gymnasiums in Brühl.

Reaktionen auf Copernicus-Report "Schon erschrocken, dass es so krass ist"

Stand: 10.01.2025 17:47 Uhr

Die neuesten Zahlen der Copernicus-Studie sind wichtig für die Wissenschaft und dienen als Basis für Klimamodelle und Prognosen. Sie beschäftigen aber auch die Menschen. Vor allem die jüngere Generation macht sich Sorgen.

Im Atrium des Max-Ernst-Gymnasiums in Brühl ist spürbar, dass Natur in dieser Schule eine besondere Rolle spielt. In der Halle wurde ein Dschungel angelegt, die Sitzmöglichkeiten haben Schülerinnen und Schüler aus alten EU-Paletten gebastelt, und an der Wand hängen Landkarten, die im Erdkunde-Unterricht nicht mehr benötigt und nun künstlerisch umgestaltet wurden. Es gibt eine Nachhaltigkeits-AG, in der Schülerinnen und Schüler Umweltprojekte oder aktuelle Fragen besprechen.

Heute sitzen die Jugendlichen zusammen und sprechen über Temperaturen. Genauer gesagt, über eine Zahl: 1,6! So viel Grad lag die Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr über den Werten der vorindustriellen Zeit. Das macht der Gruppe Sorgen. "Ich bin schon erschrocken, dass es so krass ist", sagt Magnus aus der 7c. "Ich habe die Sorge, dass es noch wärmer wird oder auch, dass noch weniger Wasser auf der Erde existiert irgendwann, bis fast gar nicht halt. Und dass es halt auch noch mehr Waldbrände durch diese Trockenheit gibt."

"Es wird zu wenig gegen den Klimawandel gemacht"

Lena aus der Parallelklasse sieht das ähnlich. Sie kritisiert, dass immer noch zu wenig gegen den Klimawandel gemacht wird: "Ich habe auch immer das Gefühl, eigentlich können wir ja was besser machen, aber man macht es halt dann doch irgendwie nicht, weil es einfacher ist, es so wie immer zu machen." Gurav wünscht sich, "dass die Welt wirklich jetzt merkt, was da draußen passiert". Und Simon befürchtet, dass die Naturkatastrophen deutlich mehr werden, "und es ist sehr schade, auch wenn man auf die nächste Generation guckt, dass die dann manche Tiere gar nicht mehr erleben können, weil es sie nicht mehr gibt".

Ihre Befürchtungen bekommen wissenschaftliche Bestätigung. Wolfgang Cramer ist Professor für Globale Ökologie und Forschungsdirektor am Mediterranen Institut für Biodiversität und Ökologie in Marseille. Auch er schaut ganz genau auf die heutigen Zahlen. "Die Auswertungen von Copernicus bestätigen, dass wir dasjenige 'Fenster' der Klimaschwankungen, innerhalb dessen Hitze, Trockenheit und Stürme als für die Menschheit relativ beherrschbar angesehen wurden, und das im Pariser Abkommen durch die 1,5°C Marke beschrieben wurde, verlassen haben", so seine Einschätzung.

„Klima wird chaotischer“

Ab jetzt werde das Klima zunehmend chaotischer. "Die Stabilität der letzten circa zehntausend Jahre ist verloren, und es wird nun immer häufiger zu Wetterereignissen kommen, die entweder in ihrer Intensität extremer sind als zuvor oder die in Jahreszeiten auftreten, wo sie eigentlich nicht hingehören", so Cramer.

Zudem sieht er vermehrt Missernten und Zerstörung von Infrastruktur durch Wetterextreme. "Daraus entstehen starke Belastungen für die Wirtschaft mit Risiken für weitere Inflation und Arbeitsplatzverluste. Der Druck auf unsere Gesellschaft steigt, und die Stimmung wird immer gereizter", so der Wissenschaftler.

Schüler im Atrium des Max-Ernst-Gymnasiums in Brühl.

Im Atrium des Max-Ernst-Gymnasiums in Brühl ist spürbar, dass Natur in dieser Schule eine besondere Rolle spielt. In der Halle wurde ein Dschungel angelegt und die Schüler kümmern sich um die Pflanzen.

Klimathemen im Schulalltag

Am Max-Ernst-Gymnasium in Brühl versucht die Schulleitung, die Schülerinnen und Schüler immer wieder für das Thema Klima zu sensibilisieren. "Mein Lieblingsbeispiel im Moment ist die Frage nach dem Einsatz der Smartboards, die für den Unterricht unverzichtbar sind und wichtig sind", sagt Direktor Wolfgang Schulz.

Die Smartboards ersetzen die klassischen Schultafeln, verbrauchen aber dementsprechend Energie. Um die Jugendlichen zu sensibilisieren, hatte Schulz die Schülervertretung beauftragt, herauszufinden, wie hoch dieser Energiebedarf sei. Das Ergebnis hatte alle überrascht: "Wir brauchen ungefähr eine Woche beim Dauerbetrieb der Smartboards, um den Strombedarf eines Einfamilienhaushalts im ganzen Jahr zu erzeugen", so der Schulleiter. Nun werden die Smartboards abgeschaltet, wenn sie im Unterricht nicht benötigt werden.

Klimawandel hat direkte Auswirkung auf die Gesundheit

Der Wissenschaftler Cramer ergänzt, dass der Klimawandel auch direkte Auswirkungen auf den Körper hat. "Durch die Destabilisierung des Klimas werden Hitzewellen immer häufiger und fordern immer mehr Todesopfer - besonders unter der älteren Bevölkerung hier in Mitteleuropa, und bei allen, die keinen Zugang zu klimatisierten Wohnungen haben", so Cramer.

Außerdem gebe es weitere Effekte wie die Ausbreitung neuer Krankheitserreger oder starke Luftverschmutzung durch Waldbrände. "Langfristig verlieren wir an Sicherheit und Freiheit. Und es wird diejenigen zuerst treffen, die die wenigsten Mittel haben sich zu schützen: arme Menschen, Kranke, Alte, Kinder“, so Cramer.

Atrium des Max-Ernst-Gymnasiums in Brühl.

Im Atrium des Gymnasiums haben die Schüler und Schülerinnen die Sitzmöglichkeiten aus alten EU-Paletten gebastelt, und an der Wand hängen Landkarten, die im Erdkunde-Unterricht nicht mehr benötigt und nun künstlerisch umgestaltet wurden.

Klimwandel begrenzen

Die Schülerinnen und Schüler in Brühl wünschen sich, dass mehr auf die junge Generation gehört wird. Schließlich seien sie und die nächsten Generationen am meisten vom Klimawandel betroffen.

Vorschläge haben sie: Magnus würde sich freuen, wenn die Menschen mehr Bioprodukte kaufen und öfter zu Fuß zu gehen, als das Auto zu benutzen. Gurav fordert sogar eine Beschränkung für Autos auf kurzen Strecken. Dafür müsse man aber die öffentlichen Verkehrsmittel ausbauen, sagt David. "Ich wohne selber ein bisschen abgelegen und bei uns fährt kein Bus, keine Bahn, alles mindestens zwei Kilometer entfernt", beschwert er sich. Simon wünscht sich einen Ausbau des E-Ladenetzwerks, denn "wenn man kein eigenes Haus hat, und wenn man das vor allem in den großen Städten ausbauen würde, wäre es halt auch für Mieter ansprechender, ein E-Autos zu kaufen", so seine Meinung.

Vieles nicht mehr gut zu machen

Diese Vorschläge seien wichtig, aber sie kommen zu einem Zeitpunkt, an dem vieles schon zu spät ist, sagt Wissenschaftler Cramer: "Das ist ein sehr trauriger Punkt, denn viele der jetzt eintreffenden Veränderungen sind nicht wieder gut zu machen. Keine Technologie der Welt kann ausgestorbenes Leben wiederauferstehen lassen, komplexe Ökosysteme neu bauen oder das grönländische Eisschild wieder aufschütten. Irgendwann in dieser globalen Zerstörungseskalation kann man seinen Kindern nichts Positives mehr sagen ohne sie anzulügen", so seine ernüchternde Antwort.

"Daher würde ich Kindern und Jugendlichen raten, jetzt ihre Eltern und Großeltern zu fragen, ob Wirtschaftswachstum und finanzieller Reichtum für eine Minderheit noch gute Maßstäbe für den Erfolg einer Gesellschaft sind. Wenn sich Eltern wirklich um das leibliche und seelische Wohl ihrer Kinder kümmern möchten, dann sollten sie jetzt viel mehr Druck als bisher auf die Politik ausüben, um den Raubbau an Ressourcen zu beenden, Ökosysteme zu reparieren und die Wirtschaft auf Nachhaltigkeit umzubauen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Januar 2025 um 17:54 Uhr.