Donald Trump sitzt am Schreibtisch des Oval Office. (Archivbild: 06.01.2021)

Zölle und Arbeitskräftemangel Wird Trump zur Gefahr für die US-Wirtschaft?

Stand: 20.01.2025 08:47 Uhr

Niedrige Arbeitslosigkeit, hohes Wachstum, Börsen nahe Rekordhoch - für Trump ist die starke US-Wirtschaft eine Chance. Doch er kann die gute Ausgangssituation auch ganz leicht verspielen.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

"Trump erbt die stärkste Wirtschaft in der modernen Geschichte, um die ihn die ganze Welt beneidet", schreibt das Time-Magazin. Und auch Joe Biden ist überzeugt, er hinterlasse dem neuen US-Präsidenten "die stärkste Wirtschaft der Welt". Doch stimmt das überhaupt? Nun, es gibt in der Tat schlechtere ökonomische Ausgangssituationen, um als Präsident der Vereinigten Staaten das Ruder zu übernehmen.

Goldlöckchen-Szenario in den USA

Experten sprechen von einem "Goldlöckchen-Szenario". Anspielend auf das im englischen Sprachraum äußerst populäre Märchen "Goldlöckchen und die drei Bären" ("Goldilocks and the Three Bears") beschreibt das Goldlöckchen-Szenario die perfekte Mitte: Das wirtschaftliche Wachstum ist weder zu hoch noch zu niedrig, gleiches gilt für die Verbraucherpreise und die Zinsen.

Moderates Wachstum, moderate Inflation, moderate Zinsen: So sieht in der Tat das perfekte Umfeld für Arbeitnehmer, Unternehmer und Anleger aus. Und die USA sind der Perfektion aktuell recht nahegekommen. "Egal, aus welcher Richtung man auf die US-Wirtschaft schaut, man kann nur zu dem Schluss kommen, dass sie sehr gesund ist", betont Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest im Gespräch mit tagesschau.de.

Solider Wachstumskurs

Das zeigt auch ein Blick auf die Statistiken: Die US-Wirtschaft befindet sich danach auf einem soliden Wachstumskurs. Im dritten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,7 Prozent gewachsen. Auch im Gesamtjahr 2024 dürfte die US-Wirtschaft laut der Ende Dezember aktualisierten Prognose des Conference Board um 2,7 Prozent gewachsen sein. Für 2025 prognostizieren die Ökonomen ein Plus von 1,7 Prozent.

Die US-Wirtschaft ist auf ihren alten Wachstumstrend zurückgekehrt und präsentiert sich - gerade auch im Vergleich zu Europa und insbesondere Deutschland - bestens erholt von dem durch die Corona-Krise verursachten Einbruch.

Stabile Lage am Arbeitsmarkt

Auch der Arbeitsmarkt zeigt sich zur Amtseinführung Trumps in guter Verfassung und weist auf eine prosperierende Wirtschaft hin: Im Dezember wurden in den Vereinigten Staaten 256.000 neue Jobs geschaffen. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote sank von 4,2 auf 4,1 Prozent und befindet sich damit deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Zum Vergleich: Im Mittel betrug die Arbeitslosenquote in den USA von 1948 bis 2024 rund 5,7 Prozent.

Sinkende Kerninflationsrate schürt Hoffnungen

Vieles deutet zudem darauf hin, dass es der US-Notenbank Fed gelungen ist, die pandemiebedingt hohe Inflation weitgehend einzudämmen, ohne der Wirtschaft allzu großen Schaden zuzufügen. Zwar war die Inflationsrate im Dezember wieder leicht gestiegen auf einen Wert von 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat; Ökonomen streichen aber den Rückgang der Kernrate positiv heraus. Der mittelfristige Trend zeigt somit weiter nach unten.

Dow Jones nahe Rekordhoch

Nicht zuletzt präsentiert sich der US-Aktienmarkt zum Amtsantritt Trumps nahezu in Bestform. Der Leitindex Dow Jones war 2024 um 13 Prozent gestiegen; aktuell trennt ihn nur ein Anstieg von 3,6 Prozent von seinem Dezember-Rekordhoch.

Die Wall Street wird aber auch ein gutes Barometer dafür sein, wie gut die Wirtschaftsagenda des neuen US-Präsidenten ankommt. "Wenn der Markt merkt, dass Trump zu stark reinregiert, wird die Wall Street reagieren und sich mit fallenden Kursen gegen Trump stellen", erklärt Marktexperte Rethfeld. Dann würde Druck auf die Politik entstehen, Rufe nach Veränderungen würden laut.

Zoll-Pläne sind Gefahr für US-Konsum

Noch ist völlig unklar, wie genau die Wirtschaftspolitik unter Trump aussehen wird. Fakt ist aber: Vor allem zwei Kernelemente von Trumps Wirtschaftsagenda sehen Experten kritisch. Ökonomen fürchten einen Arbeitskräftemangel, steigende Löhne und höhere Inflationsraten, sollte Trump tatsächlich seine Forderung nach einer massenhaften Abschiebung illegaler Einwanderer in die Tat umsetzen.

Aber auch Trumps Zoll-Pläne bergen große Risiken: "Aus US-Konsumentensicht würde dadurch vieles teurer werden. Dabei ist es der Verbraucher, der durch seinen fleißigen Konsum die US-Wirtschaft am Laufen hält", unterstreicht Wellenreiter-Experte Rethfeld. Tatsächlich machen die privaten Konsumausgaben rund 70 Prozent des amerikanischen BIP aus.

Zwingt Trump die Fed zum Handeln?

Sollte es unter Trump zu einer Zoll-Orgie kommen, so wäre ein Anstieg der US-Inflationsrate unvermeidlich. Die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz rechnen damit, dass "etwa ab Mitte 2025 neue Zölle in Kraft treten, die das Preisniveau auf Sicht von zwölf Monaten um etwa einen Prozentpunkt erhöhen könnten".

Die logische Folge: Die Fed müsste entsprechend gegensteuern und die Zinsen anheben, anstatt sie weiter zu senken. Zuletzt hatten sich die Aussichten auf weitere Zinssenkungen bereits deutlich eingetrübt. Ging der Markt im Herbst 2024 noch im Schnitt noch von vier Zinssenkungen im Jahr 2025 aus, so rechnet er aktuell nur noch mit einer Zinssenkung. Das spiegelt die seit der Wahl Trumps gestiegenen Inflationserwartungen der Investoren wider.

Trump will Wirtschaft "seinen Stempel aufdrücken"

Nicht wenige Experten sehen denn auch in dem neuen Präsidenten eine der größten Gefahren für die US-Wirtschaft. "Trump müsste nun eigentlich vernünftig und mit Bedacht vorgehen. Greift er politisch zu stark ein, kann er viel kaputt machen", betont Rethfeld.

Die US-Wirtschaft habe sich in der Vergangenheit am besten entwickelt, wenn sich die Politik weitgehend rausgehalten habe, so der Marktexperte. "Nur Trump kann nicht einfach nichts tun. Sein Ego drängt ihn dazu, der US-Wirtschaft seinen Stempel aufzudrücken. Er möchte mit eigenen Leistungen glänzen."

"America First" als Gefahr für die USA?

Trump hat angekündigt, "America First" zum Credo seiner Wirtschaftspolitik zu machen. Absurderweise könnte nun ausgerechnet dieses "America First" der US-Wirtschaft selbst noch zum Verhängnis werden.

Schadenfreude wäre dennoch fehl am Platz - denn sollte die größte Volkswirtschaft der Welt schwächeln, so hätte dies verheerende Folgen für die Weltwirtschaft. Nicht umsonst heißt es: "Wenn die USA niesen, bekommt der Rest der Welt einen Schnupfen."

Volker Hirth, HR, tagesschau, 20.01.2025 07:30 Uhr