Angehörige von Geiseln protestieren in Tel Aviv mit Plakaten und Fackeln.

Geplante Waffenruhe in Gaza Zwischen Feierstimmung und bangem Hoffen

Stand: 16.01.2025 08:58 Uhr

Ab Sonntag soll im Gazastreifen für mehrere Wochen eine Waffenruhe gelten. Dort wird gefeiert. In Israel bangen die Angehörigen der Geiseln weiter. Werden ihre Lieben zurückkehren? Und wenn ja, wie?

"Gott ist groß", singen sie in Gaza. Überall feiern die Menschen im Küstenstreifen, in dem seit fast 15 Monaten Krieg herrscht. Auch Anhänger der Terrororganisation Hamas fahren fahnenschwenkend durch die Menge. Die Nachricht von der Waffenruhe, auf die sich Israel und die Hamas geeinigt haben und die am Sonntag in Kraft treten soll, hat sich von Rafah bis in den Norden Gazas in Windeseile verbreitet.

"Es gibt innerhalb der Regierung große Kritiker", Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, über verzögerte Zustimmung der israelischen Regierung zur geplanten Waffenruhe

tagesschau24, 16.01.2025 10:00 Uhr

Haitham Dogmosh aus Deir al-Balah in Zentralgaza ist einfach froh: "Ein sehr schönes Gefühl. Danke Gott, dass sie sich geeinigt haben und wir wieder nach Hause können zu unseren Familien. Aber es stimmt - unsere Häuser sind weg, mit ihnen viele unserer Lieben, unsere Brüder, unsere Familien."

"Ein richtiger und notwendiger Schritt"

Es gibt auch Trauer um die vielen Getöteten - und die Sorge, in den Tagen, bis die Waffenruhe in Kraft tritt, könnten sich die Angriffe der israelischen Armee noch einmal verstärken. Auch daran, ob sie halten wird, bestehen zumindest in Israel Zweifel.

"Es herrscht von beiden Seiten Misstrauen", Vera Rudolph, ARD Kairo, über Verhandlung um Waffenruhe und Geiselbefreiung zwischen Israel und Hamas

tagesschau24, 16.01.2025 11:00 Uhr

Aus dem Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hieß es, bis zuletzt habe es einige ungelöste Punkte geben. Der israelische Präsident Izchak Herzog wandte sich nach einem Treffen mit dem Internationalen Roten Kreuz, dass die geplante Geiselübergabe durchführen soll, an die Bevölkerung:

Als der Präsident des Staates Israel sage ich es ganz klar: Das ist der richtige Schritt. Es ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Es gibt keine größere moralische, menschliche, jüdische oder israelische Verpflichtung, als unsere Söhne und Töchter zurückzubringen. Entweder, damit sie sich zu Hause erholen können oder um sie zu begraben.

Waffenruhe soll drei Stufen beinhalten

Die USA und Katar kündigten an, die erste Phase der Waffenruhe, die insgesamt drei Stufen vorsehe, werde sechs Wochen andauern. Nach und nach sollen in dieser Zeit 33 israelische Geiseln aus der Gewalt der Hamas freikommen, im Austausch für palästinensische Gefangene. Auch die israelische Armee soll sich stufenweise in eine Pufferzone zurückziehen, so US-Präsident Joe Biden. Zu den freigelassenen Geiseln sollen ihm zufolge Frauen, Kinder, Ältere und Verwundete zählen. "Ich bin stolz darauf, dass auch Amerikaner bei dieser ersten Phase freigelassen werden", so Biden.

Wann der Rest der insgesamt 98 Geiseln freikommen könnte, von denen nicht bekannt ist, wie viele von ihnen noch leben, ist weiter offen. Erst später, in den zwei folgenden geplanten Stufen der Waffenruhe, soll über ihre Freilassung verhandelt werden.

"Jeder muss nach Hause kommen"

Vielen Angehörigen der Geiseln in Israel reicht das nicht. Sie hatten gefordert, dass alle Geiseln freikommen. Im Stadtzentrum von Tel Aviv herrschen deshalb gemischte Gefühle.

"Es ist ein großer Tag für uns. Aber es gibt 98 Familien, die darauf warten, dass ihre Lieben freigelassen werden. Das ist hart, denn nur 33 werden in der ersten Phase freikommen. Wir sollten uns um einen andauernden Frieden im Nahen Osten bemühen, denn sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis das wieder passiert", warnt Ofek. Mit ihm demonstrieren Angehörige der Geiseln für deren Freilassung. Unter ihnen auch Yifat Calderon. Sein 54 Jahre alter Cousin Ofer wurde aus Nir Oz entführt.

"Ich freue mich, aber ich habe auch schreckliche Angst, ob es wirklich passiert. Wenn die Waffenruhe kommt, weiß ich nicht, ob und wie Ofer zurückkommen wird - lebend oder tot", sagt Calderon und fügt hinzu: "Ich hoffe, er wird zu denen zählen, die noch leben. Aber ich will, dass alle wiederkommen. Die Lebenden, die Toten und die Soldaten. Jeder muss nach Hause kommen."

Nun beginnt das bange Warten, bis die Waffenruhe in Kraft tritt. In Israel muss das Kabinett noch zusammenkommen und der Oberste Gerichtshof angehört werden. Erst danach dürfte einer Waffenruhe nichts mehr im Wege stehen.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 16.01.2025 07:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 16. Januar 2025 Das Erste um 08:09 Uhr im ARD-Morgenmagazin und BR24 um 10:00 Uhr.