Migranten in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana
reportage

Migranten an der US-Grenze "Wir sind alle im Schock, wir können es nicht glauben"

Stand: 21.01.2025 04:42 Uhr

Mit Massenabschiebungen hat Donald Trump zwar noch nicht begonnen - aber im mexikanischen Tijuana, direkt an der US-Grenze, ist die Verzweiflung groß. Viele stehen vor dem Nichts, weil sie für ein US-Visum alles aufgegeben haben.

Dass ab Tag 1 mit Donald Trump im Amt ein anderer Wind in den USA weht, haben Eulises Seguera und Mayeli Bracho am eigenen Leib zu spüren bekommen. Monate hat das venezolanische Paar in Mexiko auf den Termin für ihren Asyl-Antrag in den USA gewartet - über die sogenannte CBP One App.

Gestern, am Tag des Amtsantritts von Donald Trump, hätten sie eigentlich mittags die Grenze zu Fuß überqueren sollen. Doch nun ist der Termin in der App gar nicht mehr zu sehen, sagt Mayeli: "Wir warten hier jetzt, dass uns irgendwer eine Information gibt, wie es mit uns weitergeht. Uns wurde angezeigt, dass wir die Seite in der App aktualisieren sollen, aber ich bin dann gar nicht mehr reingekommen."

"Wir stehen vor verschlossenen Türen"

Am Grenzübergang in Tijuana hat sich eine Schlange gebildet. Familien mit und ohne Kinder, Koffern und Rucksäcken - sie alle eint das gleiche Problem: Ihre Termine wurden entweder komplett abgesagt oder verschoben. "Mir fehlen die Worte. Jetzt stehen wir hier und kommen nicht rein, stehen quasi vor der verschlossenen Türe. Wir sind alle im Schock. Wir können es noch gar nicht glauben", sagt einer.

Noch am Morgen wurden 200 Menschen mit einem Termin durchgelassen, jetzt scheint die Grenze dicht. Ein Mann von der mexikanischen Migrationsbehörde zuckt auch nur mit den Schultern - auch er habe keine weiteren Informationen.

In den sozialen Netzwerken verfolgen viele der Migrantinnen und Migranten die Antrittsrede von Donald Trump. Der betont, dass für die Grenze zwischen den USA und Mexiko der "nationale Notstand" ausgerufen werde, um den Zustrom von Ausländern ins Land zu verringern. Das würde ihm auch ermöglichen, mehr Mittel für die seit Monaten angekündigten Massenabschiebungen bereitzustellen. Im ganzen Land soll es Razzien geben, um illegale Einwanderer auszuweisen.

Die mexikanische Grenzstadt Tijuana hat bereits den Ausnahmezustand ausgerufen. Notunterkünfte werden in Sporthallen eingerichtet, sieben neue Einrichtungen sollen entstehen. Auch Janina Hofer bereitet sich auf den Ansturm vor. Die Schweizerin arbeitet in einer Herberge in Tijuana, wie überall ist die Stimmung hier gedrückt: "Wir versuchen hier zu vermeiden, dass die Leute in Panik geraten. Wir versuchen ihnen zu sagen, geduldig zu sein", sagt sie.

Für eine bessere Zukunft alles riskiert

Geduld, die Eulises und Mayeli kaum aufbringen. Sie haben ihre beiden Kinder in Venezuela bei den Großeltern zurückgelassen, wollten in den USA arbeiten - für eine bessere Zukunft vor allem für die beiden Kinder. Sie haben dafür ihr Haus in der Heimat verkauft, alles auf eine Karte gesetzt, erzählen sie verzweifelt: "In Venezuela gibt es keine Zukunft. Von dem Geld, was wir dort verdient haben, konnten wir nicht überleben. Es gibt keine Bildung. Die Situation in Venezuela wird immer schlimmer. Und auch wenn die neue Regierung in den USA feindlich gegenüber Migranten wie uns ist, wäre es immer noch eine bessere Option. Wir hatten die Hoffnung, das Leben unsere Kinder zu verbessern."

Am Nachmittag hören sie, dass die Regierung von Donald Trump unmittelbar nach seinem Amtsantritt bereits vereinbarte Termine für Migranten mit der CBP One App gestrichen hat. Viele in der Schlange wollen es nicht glauben - und auch noch Stunden später harren sie am Grenzübergang aus.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 21. Januar 2025 um 06:47 Uhr.