
Pistorius zu Ukraine-Gespräch "Putin spielt hier ein Spiel"
Eine "Nullnummer": Verteidigungsminister Pistorius hat sich enttäuscht vom Ergebnis des Gesprächs zwischen Trump und Putin über die Ukraine gezeigt. Der Kremlchef spiele ein Spiel, auf das der US-Präsident reagieren müsse.
Eine 30-tägige Aussetzung der Angriffe auf die Energieinfrastruktur: Das ist das Ergebnis des gestrigen Telefongesprächs zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Viel zu wenig, finden viele Beobachter. Das sieht auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius so. Er kritisiert die Abmachung deutlich:
"Das ist eigentlich nichts", sagte der SPD-Politiker im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Denn es sagt zu, ausgerechnet die Infrastruktur weniger anzugreifen, die in der Ukraine am besten geschützt ist. Also es ist eine Nullnummer, wenn Sie so wollen."
Pistorius: "Sehr durchschaubar"
Er verwies darauf, dass die russischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur auch in der Nacht nach dem Telefonat nicht nachgelassen hätten. "Also Putin spielt hier ein Spiel." Er sei sich sicher, dass es einen Zeitpunkt geben werde, an dem Trump darauf reagieren müsse - "auch im Sinne der Stärke und des Ansehens der Vereinigten Staaten von Amerika".
Die russischen Bedingungen für eine vollständige Waffenruhe - keine Waffenlieferungen und keine Geheimdienstinformationen für die Ukraine - zeigten die Vorgehensweise von Putin, so Pistorius. Der Kremlchef setze darauf, die Ukraine zu schwächen, während er weiter aufrüsten könne. Er wolle verhindern, dass westliche Staaten die Ukraine unterstützten, so dass diese sich bei einem Angriff während des Waffenstillstands oder danach nicht mehr wehren könne. "Von daher ist das sehr durchschaubar", so Pistorius. "Das kann man nicht akzeptieren." Beide Seiten müssten sich auf einen Bruch des Waffenstillstands vorbereiten können.
Der Kreml hatte nach dem Telefonat der beiden Präsidenten mitgeteilt, Putin habe eine Reihe von Forderungen der russischen Seite benannt. Unabdingbar sei etwa, dass der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen mehr an die Ukraine liefere. Trump erklärte allerdings später auf Fox News, Putin habe nicht den sofortigen Stopp sämtlicher Hilfen für die Ukraine gefordert. Unklar blieb, auf welche Art von Unterstützung er sich bezog.
EU-Chefdiplomatin: Russland nicht vertrauenswürdig
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wies Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine ebenfalls als inakzeptabel zurück. "Wenn sie erreichen, dass die Ukraine keine Militärhilfe mehr bekommt, dann können sie weitermachen, wie sie wollen, weil sich die Ukrainer nicht verteidigen können", warnte Kallas.
Russland sei nicht vertrauenswürdig, sagte sie mit Blick auf das Gespräch zwischen Trump und Putin. "Wenn man die beiden Protokolle des Telefonats liest, wird klar, dass Russland eigentlich keinerlei Zugeständnisse machen will."
Angriffe gehen weiter
Auch aus der Ukraine war die Reaktion auf die Vereinbarung verhalten, denn auch in der Nacht gingen die russischen Angriffe weiter. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte nach Drohnenangriffen auf die zivile ukrainische Infrastruktur, dass der Druck auf Putin fortgesetzt werden muss.
"Es sind genau solche nächtlichen Angriffe Russlands, die unsere Energiesysteme, unsere Infrastruktur und das normale Leben der Ukrainer zerstören", teilte Selenskyj auf Telegram mit. "Heute hat Putin de facto den Vorschlag für eine vollständige Waffenruhe abgelehnt. Es wäre richtig, wenn die Welt daraufhin alle Versuche Putins, den Krieg in die Länge zu ziehen, zurückweisen würde."
Sein Land könne sich nach Worten von Selenskyj einen 30-tägigen Stopp für Luftangriffe auf russische Energieanlagen vorstellen - aber nur, wenn auch Moskau sich daran halte, so Selenskyj. Außerdem brauche Kiew noch mehr Informationen, worauf genau sich Trump und Putin bei ihrem Telefonat geeinigt hätten.
Russland stellt Forderungen
Putin hatte nach Kreml-Angaben einem US-Vorschlag zugestimmt, die gegenseitigen Angriffe auf Energieanlagen für 30 Tage auszusetzen. Trump und Putin erreichten aber keine Einigung auf eine bedingungslose Pause aller Kämpfe für 30 Tage.
In Russland werten manche das Gespräch als Erfolg. Der Kreml hatte nach dem Telefonat der beiden Präsidenten mitgeteilt, Putin habe in dem Gespräch eine Reihe von Forderungen der russischen Seite benannt. Unabdingbar sei etwa, dass der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen mehr an die Ukraine liefere.
Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew schrieb auf der Online-Plattform X, das Telefongespräch habe gezeigt, dass es nur zwei Gesprächspartner gebe. "Es gibt nur Russland und Amerika im Esszimmer", schreibt Medwedew, der auch stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates ist. "Der Hauptgang ist ein Schnitzel nach Kiewer Art. Guten Appetit!"
Vorsichtiger Optimismus von Partnerländern
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die geplante Waffenruhe für Angriffe auf die Energieinfrastruktur als zumindest "ersten wichtigen Schritt" auf dem Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden. Das gelte auch für die Vorbereitungen für eine Waffenruhe auf See, sagte Scholz nach einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Berlin. "Der nächste Schritt muss ein vollständiger Waffenstillstand für die Ukraine sein und das möglichst schnell." Dabei dürfe es keine Entscheidung über die Köpfe der Ukraine hinweg geben.
Auch Macron betonte, erste Schritte würden unternommen, aber das Ziel müsse das Gleiche bleiben: "Eine messbare und überprüfbare, vollständig respektierte Waffenruhe zu haben, detaillierte und vollständige Friedensgespräche anzustoßen, die es ermöglichen, einen soliden und dauerhaften Frieden zu haben und die Garantien, die damit einhergehen." Der französische Präsident mahnte: "Selbstverständlich ist dies nicht denkbar, ohne dass die Ukrainer mit am Tisch sind."
Als Nächstes soll es nun am Sonntag in Saudi-Arabien weitere Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskriegs geben, wie Trumps Sondergesandter Steve Witkoff im US-Fernsehen ankündigte. Wer genau daran beteiligt sein wird, ließ er offen. Es gebe noch einige Details auszuhandeln, sagte Witkoff.